- Mitbestimmung und Betriebsverfassung in der Adenauerzeit
- Mitbestimmung und Betriebsverfassung in der AdenauerzeitUnmittelbar nach dem Zusammenbruch 1945 hatten in zahlreichen Betrieben, deren Leiter geflohen oder von den Alliierten verhaftet worden waren, Arbeiter und Angestellte unter der Führung von Betriebsräten die Produktion weitergeführt. Bald bildete sich auch wieder eine Gewerkschaftsbewegung, die sich für die Bundesrepublik Deutschland 1949 im Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) organisierte. Der DGB bestand aus 16 einzelnen nach Branchen unterschiedenen Industriegewerkschaften und definierte sich als parteipolitisch unabhängige Einheitsgewerkschaft - im Gegensatz zu den Richtungsgewerkschaften der Weimarer Republik und des Kaiserreiches.In der Montanindustrie (Kohle, Eisen, Stahl) Nordrhein-Westfalens hatte nach 1945 die Gewerkschaft bei der britischen Besatzungsmacht erreicht, dass die Aufsichtsräte der unter britischer Verwaltung stehenden Unternehmen mit je fünf Vertretern der Aktionäre und der Arbeitnehmer sowie einem neutralen Aufsichtsratsmitglied besetzt wurden (»paritätische Mitbestimmung«). Den Vorständen dieser Unternehmen gehörte ein Arbeitsdirektor an, dem vor allem das Personalwesen unterstand und der im Einvernehmen mit Betriebsräten und Gewerkschaft bestellt wurde. Gegenüber Bundestag und Bundesregierung vertraten die Gewerkschaften nach 1949 ihre Forderungen nach gesetzlicher Verankerung dieser Montanmitbestimmung, ihrer Ausweitung und nach volkswirtschaftlicher Mitbestimmung der Arbeitnehmer oberhalb der Unternehmensebene. Unter dem Druck eines Streikaufrufs in der Stahl- und Eisenindustrie einigten sich am 11. Januar 1951 der DGB-Vorsitzende Hans Böckler und Bundeskanzler Adenauer auf einen Kompromiss: Die bisher praktizierte Form der Mitbestimmung wurde festgeschrieben (Gesetz vom 21. Mai 1951), blieb jedoch auf die Montanindustrie beschränkt; die weitergehenden gewerkschaftlichen Forderungen kamen nicht zum Zuge. Die Koalitionsparteien FDP und DP wandten sich gegen das Gesetz; es konnte nur mithilfe der SPD verabschiedet werden.Die Mitwirkung der Arbeitnehmer und der Betriebsräte im Betrieb, die bisher nur in einem Gesetz des Alliierten Kontrollrats festgelegt war, wurde durch das Betriebsverfassungsgesetz vom 11. Oktober 1952 einheitlich geregelt. Danach waren in den Betrieben Betriebsräte zu wählen, die u. a. bei personellen Angelegenheiten, bei der Ordnung des Betriebes, der Arbeitszeit und der Urlaubsplanung mitbestimmten. In wirtschaftlichen Angelegenheiten erhielten die Betriebsräte freilich nur Informationsrechte. Die Aufsichtsräte in Kapitalgesellschaften wurden zu einem Drittel mit Arbeitnehmervertretern besetzt.Erst in den 60er-Jahren gelang es den Gewerkschaften wieder, das Thema Mitbestimmung in die öffentliche Diskussion zu tragen, die auch mit dem Mitbestimmungsgesetz nicht beendet wurde. Bereits 1972 hatte das neue Betriebsverfassungsgesetz die Rechte der Arbeitnehmer und der Betriebsräte im Betrieb erweitert.
Universal-Lexikon. 2012.